Victoria Suffrage hat hier ein wunderbares Buch geschrieben. Ich liebe es und ich bin froh, es gelesen zu haben, denn eigentlich wollte ich das nicht. Keine Zeit. Ihr kennt das ja. Aber daraus hat sich so viel entwickelt. Unter anderem diese Blogtour, bei der ich dabei sein darf. Mein Thema ist nicht so einfach. Es sorgt bestimmt für Gesprächsstoff. Aber mal ehrlich? Wer von uns hat schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht…
Edda ist toll. Ein Unikat. Sie versteckt ihr weiches Herz hinter einer rauen Schale. Ich liebe Edda. Wenn ich groß bin, möchte ich wie Edda sein. Nicht dass ich ein weiches Herz hätte. Keine Gerüchte aufkommen lassen. 😉
Edda hat ein bewegtes Leben hinter sich. Edda lebt in einem Altersheim. Edda bekommt die Diagnose ALS. Edda entscheidet, so nicht den Rest ihres Lebens verbringen zu wollen. Edda plant ihren Abschied.
Und schon sind wir beim heutigen Thema.
Der selbstbestimmte Tod
Darf Edda das? Wer will es ihr verbieten? Wer darf das entscheiden?
Wenn wir jetzt mal das ganze gesetzliche Zeug außen vor lassen – wer entscheidet über mein Leben?
ICH. Klare Antwort. Davon rücke ich nicht ab. Es gehört mir. Mir ganz allein. ICH entscheide.
Ich kann entscheiden, wie ich mir meine Haare färbe, ob ich es überhaupt tue. Wann ich was, wo, wie und warum esse. Wo, wie und mit wem ich wohnen möchte. Was ich arbeite. Welches Auto ich fahre. Was für Klamotten ich anziehe. Welche Partei ich wähle. Ob ich überhaupt wähle. Wen ich liebe. Ich darf heiraten, wen ich will, egal, ob männlich oder weiblich.
Warum darf ich dann nicht selbst entscheiden, dass ich mein Leben beenden möchte? An welchem Punkt endet das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben?
Ich rede hier jetzt nicht von Menschen, die psychisch krank sind und sich deshalb umbringen wollen. Da tut Hilfe not. Und zwar reichlich. Aber was, wenn ich wirklich schwer krank bin? Mit tödlichem Ende. Einem schmerzvollen Ende. Wenn der wache Geist in einem Körper gefangen ist, der nur noch eine Hülle ist, der alles zusammenhält? Wenn man wirklich nichts mehr selbstständig bestimmen kann, weil man dazu einfach nicht mehr in der Lage ist. Keine Stimme. Keine Bewegungen. Nichts.
Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn mein Mann oder meine Kinder in diese Situation kommen. Wenn sie sich überhaupt nicht mehr äußern können. Gar nichts. Keine Reaktion. Wie würde ich entscheiden? Man klammert sich an das Leben. So soll es ja sein. Der Selbsterhaltungstrieb bewahrt uns vor schlimmerem. Eine gute Funktion unseres Körpers. Aber leben um des Lebens willen???
Klar, für die Zurückbleibenden ist das immer noch ein geliebter Mensch. Man macht sich Hoffnung. Aber wenn es wirklich keine mehr gibt? Sind wir uns sicher, dass das von der Person selbst so gewollt ist? Auf Jahre immer auf Hilfe anderer angewiesen. Nie wieder etwas allein machen. Wenn man alles mitbekommt, aber nichts ändern, nichts sagen oder tun kann…
Ist es da nicht besser zu sagen, bis hierhin und nicht weiter? Ja, man kann lebenserhaltende Maßnahmen ablehnen. Aber wenn die gar nicht nötig sind? Warum darf man dann nicht entscheiden und sagen, wenn der oder der Zeitpunkt erreicht ist, helft mir zu gehen? Und das zu einem Zeitpunkt, an dem man das noch entscheiden kann.
Jetzt gibt es dabei immer mehrere Seiten. Man selbst hat diese Entscheidung für sich getroffen. Was ist mit den Angehörigen? Können sie gegen meinen Willen handeln? Wenn ja, warum? Und dann ist dann ja natürlich auch noch die Person, die zum Handlanger unserer Entscheidung wird. Zum ausführenden Organ. Wem kann man das zumuten? Wer kann sowas ertragen?
Und das ist das Dilemma. Wir können stolz auf unsere Selbstbestimmung sein. Sie einfordern. Dafür kämpfen. Aber wenn es dann zum Äußersten kommt, wer bleibt auf der Strecke?
Spontan würde ich es egoistisch nennen. Aber ist es das auch? Und wenn ja, wer ist egoistisch? Der, der bleibt, oder der, der geht?
Immer wieder wird gesagt, wir haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Aber… Ja, es gibt ein aber. Das gibt es doch immer. Wir dürfen bestimmen, solange wir niemandem auf die Füße treten. Niemanden zum Handeln zwingen. Solange es wirklich nur uns betrifft. Ist das noch selbstbestimmt?
Wir orientieren uns an der Familie, der Gesellschaft, den Gesetzen, dem Gerede der Leute. Wer kann von sich behaupten, ich führe ein selbstbestimmtes Leben? Von welcher Seite kommt das „Du bist aber egoistisch.“ zuerst?
Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben. Stolz darauf, tun zu können, was wir wollen. Aber selbstbestimmt? Immer und überall?
Bis zum Tod?
4 Kommentare
Vielen Dank für diesen tollen Eintrag!
Ich danke dir für Edda.
So viele (durchaus berechtigte) Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Wenn ich denke, dass der Tod zum Leben gehört, nicht von ihm abgekoppelt ist, dann muss es mir auch möglich sein, in Würde gehen zu können. Das gehört m.E. zur Menschenwürde, die im Grundgesetz verankert ist. Ist es dann nicht eine positive Verpflichtung des Staates, eine würdige Sterbehilfe zu ermöglichen? Immerhin 70% der deutschen Bevölkerung wünschen sich dieses Recht.
Bei der Diskussion darüber dürfen natürlich andere Rechte und Belange, wie die der Angehörigen oder auch der Ärzte nicht außer Acht gelassen werden.
In Victoria Suffrages Roman klingt dieses Thema an.
Ich denke, wenn ich wüsste, dass ich selbst bestimmen darf, in Würde gehen zu können, wenn alles andere hoffnungslos ist, dann könnte ich ruhiger und besser leben.
Danke für diese Ausführungen hier.
Enya
Danke, Heike, für diesen Beitrag. Du sprichst mir aus der Seele.
Gabi