„Thriller ab 14“ – diese Angabe hat mich in dieser Woche stutzen lassen. Denn das Buch, um das es geht, ist kein harmloser Krimi mit Gänsehaut, sondern der Weltbestseller „Der Da Vinci Code“ von Dan Brown. Eine Geschichte voller religiöser Symbolik, Verschwörungstheorien – und brutaler Szenen. Als Buchhändlerin sehe ich solche Altersangaben mit einem besonders kritischen Blick. Denn sie sind ein Hinweis, wie Eltern, Lehrer und Jugendliche die Bücher als „geeignet“ wahrnehmen. Doch was bedeutet das eigentlich? Und wer entscheidet das überhaupt?
Wer legt das Lesealter fest?
Bei Büchern gibt es keine zentrale Instanz, die das Alter freigibt oder kontrolliert. Anders als bei Filmen (FSK) oder Games (USK) entscheidet beim Buch der Verlag, welche Empfehlung auf dem Cover oder im Katalog landet. Das hat mich etwas erschreckt. Keine Kontrolle? Die Angabe des Verlages kann ja durchaus fundiert sein – muss es aber nicht. Oft spielt dabei auch eine Rolle, wie ein Buch vermarktet werden soll. Je niedriger die Altersangabe, desto größer die potenzielle Leserschaft. Persönlich finde ich das nicht ok. Und bei einigen Büchern macht mich die „Leichtigkeit“ wie sie mit der Altersfreigabe 14 oder 16 markiert werden auch ein bisschen wütend.
Ich verstehe, dass die Verlage ihre Bücher gezielt vermarkten wollen, aber manchmal frage ich mich doch, ob die Altersangaben wirklich das vermitteln, was das Buch im Inneren vermittelt. Vielleicht könnte eine genauere Überprüfung der Inhalte zu einer differenzierten Altersfreigabe führen.
Ich habe hier auf dem Blog vor kurzem einen Beitrag geschrieben, in dem ich mich über die Altersfreigabe bei Dark Romance geäußert habe. Auf der Leipziger Buchmesse habe ich gemerkt, dass das durchaus ein Thema ist. Wir sollten es aber vielleicht nicht auf das Genre „Dark Romance“ begrenzen, sondern generell einmal den Bereich Jugendbuch neu überdenken. Oder wie es neuerdings heißt : Young Adult.
Die Begriffe Young Adult (YA) und New Adult (NA) beziehen sich beide auf Literatur, die sich an junge Leser richtet, aber sie unterscheiden sich in Zielgruppe, Themen und Inhalt.
Young Adult | New Adult |
Zielgruppe: Hauptsächlich Leser im Alter von 12 bis 18 Jahren, aber auch ältere Erwachsene lesen häufig YA-Romane. Themen: YA-Literatur behandelt oft Themen, die für Jugendliche und junge Erwachsene relevant sind, wie Identitätsfindung, Familienbeziehungen, Freundschaften, erste Liebe und selbstständige Entscheidungen. Die Geschichten konzentrieren sich häufig auf die Schulzeit, Veränderungen im Leben und das Heranwachsen. Auch gesellschaftliche und psychologische Themen wie Mobbing, Selbstwertgefühl oder gesellschaftliche Erwartungen werden thematisiert. Sprachstil und Inhalt: YA-Bücher sind in der Regel weniger explizit und vermeiden schwere Themen wie intensiven Sex oder extreme Gewaltdarstellungen, auch wenn sie diese behandeln können. Der Schreibstil ist oft direkt und gut verständlich, mit einer jugendlichen Perspektive. | Zielgruppe: 18 bis 25 Jahre, wobei einige auch älter sind. Die Protagonisten in NA-Büchern sind in der Regel zwischen 18 und 30 Jahren. Themen: Übergang zum Erwachsenwerden, Selbstfindung im jungen Erwachsenenalter, berufliche Herausforderungen, Beziehungen und die erste Liebe auf eine reifere Weise. New Adult kann sich mit mehr erwachsenen Themen befassen, wie zum Beispiel der Universität, erster Job, berufliche Unsicherheiten und Leben in einer neuen Stadt. Sexualität wird expliziter behandelt und auch schwierigere Themen wie emotionale Belastungen, erste ernsthafte Beziehungen oder psychische Gesundheit können eine größere Rolle spielen. Sprachstil und Inhalt: NA-Bücher enthalten oft mehr explizite Szenen (z. B. Sex oder Gewalt) und eine erwachsenere Erzählweise. Die Protagonisten sind in der Regel etwas reifer und die Themen tiefer und komplexer als in YA-Romanen. |
Wichtigster Unterschied:
YA dreht sich um die Jugend und die Herausforderungen des Erwachsenwerdens aus einer jungen Perspektive, während NA sich mit der Erwachsenenwerdung und den Herausforderungen des Übergangs ins Erwachsenenalter beschäftigt.
Der Inhalt in New Adult kann expliziter und komplexer sein, sowohl in Bezug auf Beziehungen als auch auf die Behandlung von emotionalen und physischen Themen.
Beide Genres richten sich an jüngere Lesende, aber der Schwerpunkt und die Komplexität der Themen unterscheiden sich deutlich!
Ich habe euch hier mal die Beschreibung von „Young Adult“ und „New Adult“ aus dem Internet eingefügt. Ich finde, die Grenzen sind ziemlich verwischt und in so manchem Buch mit der Altersangabe 16 sehe ich kein Young Adult mehr. Die Verlage scheinen hier Grenzen auszuloten, die sie meiner Meinung nach schon längst überschritten haben.
Habt ihr mal in ein Buch ab 16 hineingelesen, dass explizierte Sexszenen enthält? Dürfte eure 16jährige Tochter dieses Buch lesen?
Ein Thriller für Jugendliche? Nicht jeder ist dafür geeignet!
Natürlich kann man mit 14 schon spannende Geschichten lesen. Aber es macht einen Unterschied, welche Art von Spannung es ist. Der Da Vinci Code enthält nicht nur komplexe religiöse und historische Themen, sondern auch Folter, Mord und psychisch belastende Szenen. Die Gewalt ist nicht vordergründig, aber sie ist da – und sie ist brutal. Für mich ist das kein Jugendbuch, und schon gar kein Einstieg in das Genre „Thriller“.
Im Prinzip bin ich ja der Meinung, wir sollten unseren Kindern und Jugendlichen bei ihrem Lesestoff mehr zutrauen. Das bemerke ich täglich bei meiner Arbeit im Buchhandel. Da wird einer 14jährigen zu Weihnachten ein Pferdebuch ab 8 geschenkt, weil sie das ja immer gelesen hat, Bücher mit dem Thema Tod, Scheidung/Trennung oder Krankheit dürfen es aber nicht sein, dafür aber gerne für die 13jährige Enkelin „Icebreaker“, weil sie es sich ja so gerne wünscht.
Zwischen Lesefähigkeit und Reife
Nur weil jemand technisch ein Buch lesen kann, heißt das nicht, dass er oder sie auch inhaltlich dafür bereit ist. Gerade bei Jugendlichen ist das eine schwierige Gratwanderung. Einige sind mit 14 schon sehr reflektiert, andere fühlen sich von bestimmten Themen schnell überfordert. Deshalb sind Altersangaben zwar nie in Stein gemeißelt – aber sie sollten mit Bedacht gewählt werden. Und ich persönlich finde es bedenklich, wie lax mit dieser Altersempfehlung momentan umgegangen wird.
Der Buchhändler als Berater
Ich verstehe, dass Verlage ihre Bücher möglichst breit verkaufen möchten. Aber wir im Buchhandel stehen dann an der Front: Wir beraten, empfehlen – und hinterfragen. Wenn ich sehe, dass ein Thriller mit expliziten Gewaltszenen als „ab 14“ beworben wird, dann sage ich ehrlich, was ich davon halte. Manchmal erkläre ich auch Eltern, warum ich ein anderes Buch vorschlagen würde oder warum ich eben ein bestimmtes Buch für das Alter nicht empfehlen würde.
Dieses Thema beschäftigt mich schon länger und so richtig weiß ich noch keinen Weg. Meine Kollegen und ich entscheiden je nach Gefühl und aus der Situation heraus. Wir geben z. B. das viel zitierte „Hunting Adeline“ nicht an 13jährige Mädels raus. Wenn sie mit ihren Eltern kommen, liegt die Entscheidung bei ihnen, aber wir sagen unsere Meinung dazu laut.
Verantwortung statt Verkaufszahlen
Bücher dürfen fordern, aufrütteln, Grenzen austesten – das gehört zur Literatur dazu. Aber sie dürfen nicht überfordern. Altersangaben sind keine Garantie, aber sie sind ein Signal. Und dieses Signal sollte ernst genommen werden. An dieser Vorgabe orientieren sich Leser, Eltern, Großeltern und eben auch der Buchhändler. Ein Thriller wie „Der Da Vinci Code“ ist spannend, keine Frage. Aber spannend für wen – das ist eine Frage, die man sich vorher stellen sollte.
Ich will mich hier nicht an diesem Buch festhalten, es war halt eben der Auslöser für diesen Beitrag. Mittlerweile hat der Verlag reagiert und erklärt, dass diese Jugendbuchvariante „eine gekürzte Version der Erwachsenenausgabe, die sprachlich und inhaltlich natürlich an die junge Zielgruppe angepasst ist“ ist. Ich frage mich allerdings: warum?
Für den Leser ist das vielleicht toll, er freut sich, ein Erwachsenenbuch lesen zu dürfen. Aber sollte er das?
Soll ich euch mal sagen, was definitiv in den Buchläden passieren wird? Die Leser stürzen sich auf die schöne Ausgabe und kommen dann wieder, weil es nicht das Original ist. Ich weiß nicht, in wie fern auf dem Buch vermerkt ist, dass es eine gekürzte Ausgabe ist. Aber die Leser, die dieses Buch kennen, werden es auf jeden Fall bemerken. Und dann?
Ich sehe hier das Problem, dass erstens ein Buch gelesen wird, das trotz Anpassung in meinen Augen thematisch auf keinen Fall für die Altersgruppe 14 geeignet ist. Und das zweitens von den erwachsenen Käufern nicht als Jugendbuch und eben gekürzte Ausgabe erkannt wird. Und drittens frage ich mich, warum dieses Buch fast zeitgleich mit dem neuen Buch des Autors herauskommt, wo dort auch die Vorgänger in den Buchläden liegen werden.
Verkaufen ist gut, aber nicht um jeden Preis. Auf der Strecke bleibt hier der Buchhändler. Was soll er tun? Jugendbuch und Original zusammen anbieten? An der Kasse jedes Mal erklären: Diese Ausgabe ist gekürzt und umgeschrieben für junge Leser. Gar nichts sagen?
Am Ende entscheidet der Kunde, welches Buch er kauft und wie er darauf reagiert, dass es zwei Ausgaben gibt.
Aber das Thema „Altersempfehlung bei Büchern“ liegt auf dem Tisch. Es bezieht sich nicht nur auf die sexy Bücher oder den Thriller. Das fängt schon beim Bilderbuch an. So manche Altersangabe finde ich sehr enthusiastisch. Ich finde ja, die Verlage sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und mal ihre Praxis überdenken. Auch wenn sie entscheiden ein Buch ab 14 oder 16 zu empfehlen, muss das nicht immer richtig sein.
Das Internet sagt mir, dass „die Darstellung von Gewalt und ähnlichen Themen“ bei Jugendbüchern altersgerecht sein sollte und ich empfinde eben, dass Bücher, die ausführlich Sex- und/oder Gewaltszenen beschreiben, nicht mehr als Jugendbuch bezeichnet werden sollten. Ich weiß auch nicht, ob bei diesen Büchern die Altersangabe 16 noch geeignet ist.
Wie ist eure Meinung dazu? Reagiere ich zu hart? Bin ich voreingenommen? Oder seid ihr meiner Meinung? Lasst es mich in den Kommentaren wissen. Lasst uns darüber diskutieren.