Ich war schon immer ein Schnellleser, habe mir das nicht antrainiert und mir auch nie Gedanken darüber gemacht. Ich war eben immer etwas schneller als andere. Das war für mich nie ein Problem. In manchen Situationen war es sogar ziemlich hilfreich.
Aber vor einigen Wochen habe ich mit einigen zusammen einen Lesemarathon veranstaltet. Wir haben ein Buch gelesen und hatten dafür eine gewisse Zeit, dann wurde gestoppt und wir haben darüber geredet.
Dann war da aber plötzlich Erstaunen über meine Seitenzahl. Und es wurde die Frage gestellt …
Hörst du beim Lesen Stimmen im Kopf?
Meine Antwort lautete: Nein. Und wie ist eure Antwort? Hört ihr beim Lesen Stimmen im Kopf? Stellt ihr euch die „Szenen“ vor? Habt ihr Bilder der Protagonisten im Kopf?
Meine Antwort auf all diese Fragen lautete immer NEIN.
Stimmt bei mir was nicht? Sind irgendwelche Synapsen nicht richtig verlötet?
Das Thema hat mich nicht mehr in Ruhe gelassen und ich habe recherchiert Und dabei für mich erstaunliches herausgefunden.
Es gibt verschiedene Arten zu lesen, und die Unterschiede hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich kognitiver Prozesse, Lesegewohnheiten und individueller Wahrnehmung.
1. Visuelle Leser
Diese Leser “sehen” die Wörter oder sogar Bilder im Kopf, während sie lesen. Sie können sich Szenen visuell vorstellen und haben oft ein fotografisches Gedächtnis. Diese Art des Lesens kann langsamer sein, da der Leser versucht, sich jedes Detail bildlich vorzustellen.
2. Auditive Leser
Diese Leser “hören” beim Lesen eine innere Stimme, die die Wörter vorliest. Bei ihnen kann es so sein, dass sie den Text wortwörtlich innerlich hören, was ebenfalls das Lesetempo beeinflussen kann, da sie in der Regel nur so schnell lesen, wie die Stimme spricht.
3. Schnelle Leser
Diese Leser lesen sehr schnell und überfliegen oft die Seiten, ohne sich notwendigerweise auf jedes einzelne Wort zu konzentrieren. Sie nehmen den Text in größeren Blöcken wahr, was ihnen erlaubt, schneller zu lesen, ohne viel von der Bedeutung zu verlieren. Dies kann trainiert werden, z. B. durch Speed Reading-Techniken.
4. Langsame Leser
Manche Leser brauchen mehr Zeit, um Texte zu verarbeiten. Sie konzentrieren sich intensiv auf die Wörter und deren Bedeutung. Langsames Lesen ermöglicht oft ein tieferes Verständnis und bessere Textanalyse, aber das kann auch bedeuten, dass sie sich Zeit nehmen, um komplexe Konzepte vollständig zu durchdringen.
Habt ihr euch schon bei den verschiedenen Lesern wiedergefunden? Ich kann mich irgendwie so gar keiner Gruppe zuordnen. Ich spreche beim Lesen nicht mit, höre keine Lesestimme und sehe auch die Geschichte nicht vor mir. Das mit dem Erfassen von größeren Blöcken passt schon eher zu mir.
Warum diese Unterschiede? Kann man nicht einfach nur Lesen?
Es interessiert mich, wie dieses unterschiedliche Leseverhalten zustande kommt. Mit Hilfe von Google und ChatGPT habe ich ein paar Möglichkeiten gefunden.
1. Kognitive Verarbeitung: Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Art, Informationen zu verarbeiten. Visuelle oder auditive Veranlagungen können bestimmen, wie jemand einen Text aufnimmt.
2. Lesestrategien: Manche Menschen haben von klein auf Techniken gelernt, die das Leseverhalten beeinflussen, wie etwa das lautlose Lesen oder Subvokalisierung (das stille Aussprechen der Wörter im Kopf).
3. Gedächtnis: Personen mit einem starken visuellen oder auditiven Gedächtnis können die Inhalte anders verarbeiten und abrufen, was ihre Lesegeschwindigkeit und das Textverständnis beeinflussten.
4. Aufmerksamkeit und Konzentration: Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit über längere Zeit aufrechtzuerhalten, spielt ebenfalls eine große Rolle. Schnellere Leser haben oft ein hohes Maß an Konzentration und müssen weniger oft zum Text zurückkehren.
5. Augenbewegungen: Manche Leser haben eine größere periphere Sicht, was ihnen ermöglicht, mehr Wörter oder Sätze auf einmal zu erfassen. Andere fokussieren sich nur auf wenige Wörter pro Blick.
Google sagt mir, dass diese Unterschiede die Vielseitigkeit der menschlichen Wahrnehmung und Kognition widerspiegeln und dass es keine “richtige” Art zu lesen gibt, sondern nur die, die für den Einzelnen am besten funktioniert.
Da gehe ich mit. Aber. Es gibt ja immer ein Aber. Bei einem Gespräch mit anderen Bloggern erzählte jemand, er hätte irgendwo gelesen, dass einige den Bereich für das Hören zum Lesen nutzen und andere eben nicht. Das hat mich neugierig gemacht.
Ich habe nämlich Schwierigkeiten mit Hörbüchern. Lange Zeit konnte ich sie gar nicht hören. Ich bin dabei immer ganz unruhig und nervös geworden. Plötzlich ging es dann. Aber es funktioniert noch nicht mit jedem Hörbuch. Manchmal greife ich dann doch ziemlich genervt zum Print. Hängt meine Art zu lesen vielleicht damit zusammen? Ich habe also das Internet durchforstet und einige Unterhaltungen mit ChatGPT geführt.
Dabei habe ich herausgefunden, dass es zahlreiche Studien gibt, die sich mit den unterschiedlichen Arten des Lesens und den kognitiven Prozessen dahinter beschäftigen. Es gibt einige Bereiche, in denen Forschung zu diesem Thema betrieben wird:
1. Subvokalisierung
Die Subvokalisierung bezieht sich auf das innere Mitsprechen der Wörter beim Lesen. Studien haben gezeigt, dass dies ein normaler Bestandteil des Leseprozesses ist, der insbesondere bei langsamen Lesern häufig vorkommt. Während es hilft, das Textverständnis zu verbessern, verlangsamt es das Lesetempo. Forschung in diesem Bereich untersucht, wie die Subvokalisierung das Verstehen und Merken von Informationen beeinflusst.
In einer Studie fand man heraus, dass Subvokalisierung oft unbewusst geschieht und bei komplexeren Texten zunimmt.
2. Augenbewegungen und Fixationen
Forscher untersuchen die Augenbewegungen beim Lesen, insbesondere wie oft und wie lange Leser auf bestimmte Wörter oder Textteile fixieren. Schnellere Leser haben kürzere und weniger Fixationen, während langsamere Leser länger auf bestimmten Wörtern verweilen. Eye-Tracking-Studien haben gezeigt, dass gute Leser die Fähigkeit haben, mehrere Wörter auf einmal zu verarbeiten.
In einer Studie wurde erforscht, wie sich Augenbewegungen beim Lesen unterscheiden und wie Fixationen und Sakkaden (schnelle Augenbewegungen) das Lesetempo und die Textverarbeitung beeinflussen.
3. Visuelle vs. auditive Leser
Es gibt auch Untersuchungen, die den Unterschied zwischen visuellen und auditiven Lernstilen beim Lesen analysieren. Manche Menschen neigen dazu, visuelle Informationen besser zu verarbeiten, während andere besser mit auditiven Reizen umgehen können. Diese Unterschiede können das Leseverhalten beeinflussen, z. B., ob jemand eher die visuelle Vorstellung von Szenen bevorzugt oder das innere Hören einer Erzählstimme.
Eine Studie untersuchte dabei die Rolle von visuellen und auditiven Verarbeitungsstilen beim Lesen und fand heraus, dass individuelle Unterschiede in der sensorischen Verarbeitung eine signifikante Rolle im Textverständnis und der Lesegeschwindigkeit spielen.
4. Speed Reading
Die Forschung zum schnellen Lesen zeigt, dass viele schnelle Leser eine Technik namens “Chunking” verwenden, bei der sie mehrere Wörter oder sogar ganze Sätze gleichzeitig erfassen. Es gibt jedoch Kontroversen darüber, ob Speed Reading wirklich ein tiefes Verständnis des Textes ermöglicht.
In einer Studie wurde festgestellt, dass das Überfliegen eines Textes oft zu einem oberflächlichen Verständnis führt, da weniger kognitive Ressourcen für tiefere Textverarbeitung eingesetzt werden.
5. Neurowissenschaftliche Forschung
In der Neurowissenschaft gibt es Studien, die zeigen, dass verschiedene Hirnregionen beim Lesen aktiviert werden, je nachdem, wie jemand den Text verarbeitet. Bei visuellen Lesern sind mehr Teile des visuellen Kortex beteiligt, während auditive Leser eher Hirnregionen aktivieren, die mit dem Hören und der Sprachverarbeitung zu tun haben.
2009 wurde eine Studie durchgeführt, die zeigte, dass beim Lesen unterschiedliche Gehirnregionen je nach Lesegewohnheiten und Vorlieben aktiviert werden, insbesondere wenn es um visuelle oder auditive Verarbeitung geht.
Es gibt also eine Vielzahl von Forschungsergebnissen, die die Unterschiede in der Art und Weise, wie Menschen lesen, und die zugrunde liegenden kognitiven Prozesse beleuchten.
Aber ich bin immer noch nicht schlauer, also lese ich einfach munter drauf los.
Ich weiß, dass ich einen kleinen Tick habe. Ich merke mir oft Titel und Autor eines Buches nicht. Über längere Zeit vergesse ich auch die Namen der Protagonisten, was natürlich auch an der Menge der Bücher liegen kann, die ich lese. Aber wenn ich das Cover sehe und einen kurzen Blick auf den Klappentext werfe, ist in meinem Kopf die Geschichte sofort wieder da.
Und – was viele komisch/nerdig finden – ich weiß immer ganz genau, wo in meinem Regal welches Buch steht.
So, jetzt seid ihr dran. Zählt ihr euch eher zu den schnellen oder den langsamen Lesern? Hört ihr Stimmen beim Lesen?
1 Kommentar
Also Stimmen höre ich nicht unbedingt beim Lesen. Dafür sehe ich aber ganz genaue Bilder. Nicht unbedingt in Farbe, aber sie sind da. So musste ich schon öfter beim Sprechen über eine Geschichte überlegeb, ob ich sie wirklich gelesen habe oder doch als Film gesehen gabe. Es gibt so manche Bücher, da bin ich fest von überzeugt, dass ich sie gesehen habe. Allerdings liefert google dazu keine Verfilmungen.
Ich gehöre übtigens zu den langsamen Lesern, da ich selbst den Text mitspreche. Ich muss mich schon arg konzentrieren, dass meine Zunge im geschlossenen Mund keine Bewegung zu den Worten macht. Das gleiche passiert übrigens beim Schreiben.
LG Kerstin