Wie fange ich an? Das fällt mir bei Buchvorstellungen meistens sehr leicht, aber dieses Buch hier ist anders und der Einstieg fiel mir recht schwer. Aber ich habe es verschlungen und war begeistert. Nein, bin es immer noch. Also kann ich doch darüberschreiben. Die vielen Anfänge, die ich hier brauchte, zeigen mir aber das Gegenteil. Es ist gar nicht so einfach, die richtigen Worte zu finden.
Vor einigen Jahren habe ich das Buch „Anonyma – eine Frau in Berlin“ gelesen und war erstaunt. Da standen Dinge drin, die ich so nicht gelernt hatte, die so nicht erzählt wurden. Ganz im Gegenteil. Dieses Thema scheint konsequent totgeschwiegen worden zu sein. Warum?
Mein Interesse war geweckt und ich habe mich ein bisschen durch das WWW geklickt, um Antworten zu bekommen. Die haben mir teilweise nicht gefallen. Wenn mir also jetzt ein Buch über dieses Thema in die Hände fällt, lese ich es. Neugier? Ich weiß es nicht. Ich finde es einfach seltsam, dass die Dinge nicht so erzählt werden, wie sie wirklich passiert sind.
Wir sollen doch aus unseren Fehlern lernen. Wenn uns unsere Fehler aber nicht gezeigt werden, wie sollen wir dann daraus lernen? Wie sollen unsere Kinder wissen, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist, wenn ihnen dieses „falsch“ nicht gezeigt wird.
Ich selbst halte mich nicht für einen politischen Menschen. Aber ich bilde mir ein, den Unterschied zwischen Richtig und Falsch zu kennen. Bei manchen Aktionen kann ich gar nicht genug mit dem Kopf schütteln. Manchmal denke ich mir auch, gerade die müssten es doch eigentlich besser wissen.
Aber genug gelabert. Erst weiß ich nicht wie anfangen, dann sabbel ich euch die Ohren voll.
Die Brieftaube von Stefan Heikens
Auf das Buch bin ich in einer Facebook Gruppe aufmerksam geworden. Der Autor hat dort den Klappentext gepostet und meine „das musst du lesen“ Antenne hat sofort „Will haben“ gefunkt. Als das Buch erschien, wurde es auch gleich bestellt und gelesen. Meine Rezi dazu findet ihr hier.
Es ist keine Geschichte, die erzählt wird. Es sind Leben, die gelebt wurden. Das ganze Buch besteht nur aus Briefen, die sich von Freunden geschrieben wurden. Briefe, in denen sie über das tägliche Leben, die Schwierigkeiten, die politische Entwicklung, aber auch über persönliches schrieben.
Beim Lesen konnte ich alles miterleben. Es waren persönliche Berichte, ohne Zensur. Es wurde nichts verschwiegen, nichts beschönigt, nichts weggelassen. Alles wurde beim Namen genannt und ich war im Leben der Leute anwesend.
Es war faszinierend, stellenweise traurig und beängstigend, aber immer so interessant, dass ich immer weiterlesen wollte. Es war schade, dass es plötzlich ein Ende gab, dass es keine weiteren Briefe mehr gab.
Ich sage ja immer, ich lese gerne Bücher, die anders sind. Das hier ist anders. Aber so toll, dass ich es jedem empfehlen will. Lest es. Ihr werdet erstaunt sein und Dinge erfahren, die ihr so vielleicht noch nie gehört habt.
10 Fragen an Stefan Heikens
1. Wie bist du auf die Geschichte gekommen? Hat sie dir jemand ins Ohr geflüstert? Hast du sie geträumt?
Ich habe die authentischen Briefe, die in diesem Buch wiedergegeben werden, über einige Umwege und durch einen Freund erhalten. Ich musste sie also nur noch lesen und sehen, ob sie auch interessant genug wären für eine Veröffentlichung. Und schon nach dem ersten erfolgreichen Rundflug der „Brieftaube“ wusste ich, dass das mein nächstes Buch werden wird. Denn die Geschichte der Nachkriegszeit so nah miterleben zu können hätte ich niemals für möglich gehalten, deshalb wollte ich auch jedem anderen Interessierten die Möglichkeit dazu geben. Es ist anders als das, was wir aus Geschichtsbüchern kennen, denn es ist meiner Meinung nach ehrlicher. In der „Brieftaube“ schreiben fünfzehn Schüler über persönliche Probleme, wie Pickel und Langeweile, aber eben auch viel über Weltbewegendes, wie den Aufzug der DDR, noch immer vermisste Verwandte und das Leben in Ruinen. Der ganz alltägliche Wahnsinn also, wie ihn die Menschen in den Straßen tatsächlich erlebten, und nicht wie er erst Jahrzehnte später von Historikern vermutet wurde.
2. Schreibst du hauptberuflich oder hast du noch einen Brotjob? Wenn ja, verrätst du ihn?
Eigentlich bin ich Fotograf, kann diesen Beruf aufgrund einer psychischen Erkrankung momentan aber leider nicht mehr ausüben. Feldpostbriefe haben mir dann merkwürdigerweise sehr dabei geholfen, mehr über mich, meine Vergangenheit und damit auch über meine Erkrankung zu lernen, deshalb würde ich mir natürlich sehr wünschen, das Veröffentlichen irgendwann einmal zu meinem Hauptberuf machen zu können. Das passende Stichwort hier ist wohl „Kriegsenkel“!
3. Was liest du selbst gerne? Hast du vielleicht sogar einen Lieblingsautor?
Ich lese selbst eher selten normale Literatur, da ich mich oft schon tagelang in den in meinem Büro liegenden Briefen verlieren kann. Einer meiner Lieblingsautoren war aber immer Klaus Kordon, vor allem sein Buch „Brüder wie Freunde“, das mich schon in der Kindheit sehr geprägt hat. Deshalb war ich auch besonders stolz, als ich mit ihm persönlich in Kontakt kam und er mir ein paar lobende Worte über mein Projekt schrieb. Sonst mag ich aber auch noch die älteren Sachen von Stephen King sehr gerne, „Skulduggery Pleasant“ von Derek Landy und „Des Todes dunkler Bruder“ von Jeff Lindsay.
4. Schreibst du immer nur an einem Buch oder hast du mehrere Ideen, die gleichzeitig aufs Papier gebracht werden wollen?
Zurzeit habe ich hier die Briefe von drei verschiedenen Soldaten und einem jungen Pärchen aus der Nachkriegszeit liegen. Manchmal, wenn es in den Briefen eine Durststrecke gibt, wechsle ich, um es interessant zu halten, denn das Abtippen dauert deutlich länger, als das spätere Lesen. Aber ich habe immer jedes Schicksal genau im Kopf und weiß oft schon wie es ausgehen wird. Ich glaube, da habe ich anderen Schriftstellern gegenüber einfach einen klaren Vorteil, denn meine Geschichte ist schon immer komplett fertig und ich kann jederzeit wieder irgendwo anknüpfen. Als ich allerdings „Helle Nächte, dunkle Tage“ mit meinem Onkel Werner über seine Flucht aus Breslau schrieb, konzentrierte ich mich auch voll und ganz auf dieses Familienprojekt und vermied jede Ablenkung, um den Faden nicht zu verlieren. Ansonsten habe ich ein paar vage Ideen für eigene Romane, die köcheln aber noch ein wenig vor sich hin.
5. Wie ist das so mit dir und deinen Protagonisten? Von anderen Autoren höre ich ja oft, dass sie zuweilen schon recht schwierig und aufmüpfige sein können.
Gute Frage, denn ich suche mir meine Protagonisten ja im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus. Ich bekomme ein Paket Briefe und beginne sie zu lesen. Wenn die Briefe interessant sind, dann tippe ich sie ab und veröffentliche sie. Meistens sind es deutsche Wehrmachtsoldaten, manchmal aber auch Privatpersonen, wie bei der „Brieftaube“. Und bei beiden erkenne ich in den Briefen kaum einen Unterschied, denn sie alle haben dieselben Hoffnungen, Wünsche und Träume. Manche dieser Menschen erscheinen mir recht sympathisch, andere kann ich auf den Tod nicht ausstehen, aber ich kann es nicht ändern, denn ich denke, dass es wichtig ist ALLE Seiten zu zeigen, wenn man historisch korrekt bleiben möchte. Es wäre kein Beitrag zur Geschichte, wenn ich sie nach meinem Gutdünken beeinflussen würde, je nachdem, ob ich jemanden sympathisch finde oder nicht. Wenn die mir vorliegenden Briefe einen Informationswert haben, dann veröffentliche ich sie auch, versuche im Vorwort aber immer, auch meine eigene Meinung über diese Person deutlich zu machen. Denn eines möchte ich immer ganz klar machen, auch wenn ich diese Briefe veröffentliche, so gehe ich nur sehr, sehr selten mit den Dingen konform, die darin Erwähnung finden. Deswegen steht auch auf jedem meiner Bücher der Wahlspruch: „Gegen Rechts. Gegen das Vergessen“.
6. Weißt du noch, wann du das erste Wort zu Papier gebracht hast?
Als Kind habe ich immer gerne Fiktion geschrieben, als Jugendlicher schlief das dann aber doch etwas ein. Aber ich erinnere mich noch genau, wie ich das erste Paket Briefe auf einem Flohmarkt fand, sie las und dachte, die müsste ich mal abtippen. Das muss so um 2011 herum gewesen sein. Veröffentlicht habe ich sie dann erst ein paar Jahre später. Wirklich selbst geschrieben habe ich erst, als ich meinen Großonkel Werner im Sommer 2016 traf und er damit begann, mir die Geschichte unserer Familie zu erzählen. So gesehen habe ich also zwei Anfänge gehabt!
7. Wer darf als allererstes lesen, was du geschrieben hast? Und wann? Wenn alles fertig ist? Mittendrin?
Ich habe 1-2 Leute, die immer gerne lesen, was ich veröffentliche. Die bekommen vorher wenn möglich Probeexemplare. Ansonsten veröffentliche ich die Bücher aber einfach sobald sie fertig sind. Ich kann also durchaus noch Hilfe bei meinem Projekt gebrauchen, auch sehr gerne Testleser, wer sich deswegen mit mir in Verbindung setzen möchte, der ist mir herzlich willkommen!
8. Welches Buch könntest du immer und immer wieder lesen?
Ganz klar „Das Boot“ von Lothar-Günther Buchheim, sowohl Buch als auch Film (TV-Fassung) sind genial!
9. Wenn der Leser dein Buch gerade gelesen hat, was wäre deine erste Frage?
Da die anschließende Diskussion hoffentlich länger werden wird wäre meine erste Frage wohl: Und, noch `n Kaffee?
10. Eine Frage habe ich noch …. Kannst du dein Buch in einem Satz beschreiben?
Fünfzehn junge Flüchtlinge finden nach dem Zweiten Weltkrieg in Briefen wieder zueinander, beschreiben sich gegenseitig, wie sich ihre Welt seitdem verändert hat und beobachten dabei mit scharfem Blick den kommenden Aufzug der Deutschen (un)Demokratischen Republik.