Darf man das? Darf man – ohne noch einmal auf die Millionen Toten durch deutsche Hand einzugehen – darüberschreiben, dass aus dem Volk der Täter am Ende ein Volk der Opfer wurde? Das 14 Millionen Zivilisten aus ihrer Heimat verjagt und über eine Million Frauen vergewaltigt wurden, dass Hunderttausende von Kindern in den Wirren der letzten Kriegsmonate ihre Eltern verloren und eine ganze Nation ihr Überleben in Ruinen organisieren musste? Lange Zeit – und erst recht nach 1968, als sich die Söhne und Töchter offen gegen ihre Väter stellten – ist diese Frage verdrängt worden, ging es im öffentlichen Diskurs fast ausschließlich um die Schandtaten der Nationalsozialisten und um die Frage, wie ein ganzes Volk dabei hatte zusehen oder gar mitmachen können.
aus dem Editorial in GeoEpoche Nr. 9/2002 von Michael Schaper
Bücher sind etwas Großartiges. Sie lassen uns an einer großen Liebe teilhaben, lösen mit uns einen Mordfall, decken Verschwörungen auf und entführen uns in Welten, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Sie können aber auch Themen behandeln, die unbequem sind, die man in die hinterste Ecke seiner Gedanken packen und nicht daran rütteln will.
So ein Buch ist „Die Kinder von Beauvallon“. Bettina Storks verarbeitet hier reale Ereignisse zu einer fesselnden Geschichte.
Wer in den letzten Tagen dem #beauvallon gefolgt ist, weiß um dieses wundervolle Buch. Zusammen mit anderen Bloggern habe ich es in einer Blogtour vorgestellt und euch hoffentlich nähergebracht. Vielleicht liegt es schon bei dem einen oder anderen zum Lesen bereit.
Zu einer Blogtour gehört es natürlich auch, dass über Themen geschrieben wird, die zur Geschichte des Buches gehören. Meine Aufgabe ist es, euch das Thema
Aufarbeitung in Deutschland
näher zu bringen. Ein Thema, dass mich ziemlich beschäftigt hat.
Vor einiger Zeit habe ich schon einmal 2 Bücher gelesen, die sich auch mit diesem Thema beschäftigt haben. Beide nach realen Ereignissen – beide haben mich ziemlich nachdenklich gemacht, so dass ich danach nicht sofort zum nächsten Buch über gehen konnte.
Das eine war „Dunkelnacht“ von Kirsten Boie und das andere war „Anonyma – eine Frau in Berlin“.
Aufarbeitung? Gab es die? Wurde etwas aufgearbeitet? Es hat bis in die 60er Jahre gedauert, ehe das Thema überhaupt richtig angegangen wurde. Zur Erinnerung: Der Krieg endete 1945.
Aber kann man etwas aufarbeiten, wenn die Täter immer noch in höheren Positionen waren? Würde ein Täter seine Taten wirklich aufklären? Kann es eine Aufarbeitung geben, wenn sich jeder als Opfer, aber niemand als Täter sieht?
Ich glaube, beim Thema „Aufarbeitung“ war genau das das Problem. Richter, Polizisten, Politiker blieben in ihren Positionen, sie konnten nach dem Krieg einfach da weitermachen, wo sie aufgehört haben.
Die Menschen hatten andere Probleme. Höchste Priorität war das eigene Überleben. Tagtäglich hatten sie zu kämpfen. Hunger, Krankheit, Obdachlosigkeit.
Wir sind eine Generation, die sich so einen Zusammenbruch nicht vorstellen kann. Die, die es noch erlebt haben, sterben langsam alle. Wer soll es uns noch erzählen? Und wollen wir überhaupt zuhören?
Wir sind perfekt im Verdrängen
Wer das Zitat oben genauer liest, merkt, dass der Fokus nicht auf den Taten der Nazis zu liegen scheint, sondern auf dem, was danach geschah. Man sieht sich immer lieber als Opfer, als als Täter, oder?
Warum soll man auch sagen, ich habe das und das getan, wenn es einfacher ist, aufzuzeigen, was einem selbst angetan wurde.
In den Städten wurde entrümpelt und aufgeräumt – in den Köpfen nicht.
Die Masse wollte nichts mehr von Tod, Krieg und Zerstörung wissen. Sie wollte ihre Ruhe und sich nicht mit den unangenehmen Dingen auseinandersetzten. Schweigen. Man sprach einfach nicht mehr davon und glaubte damit alles los zu sein. Kennt ihr die 3 Affen? Nichts hören. Nichts sehen. Nichts sagen. Das eigene Wohlergehen hatte jetzt oberste Priorität.
Nürnberger Prozesse
20. November 1945 – 01. Oktober 1946. 6 Monate. Mehr Zeit war eine Aufarbeitung nicht wert? Es wurde nicht einmal an der Oberfläche gekratzt. War es nur eine Show oder wurde wirklich gedacht, damit wäre die Arbeit getan?
In der sowjetischen Besatzungszone wurde drakonischer durchgegriffen. Hier wurde entfernt, was entfernt werden musste. Die Mittel, mit denen das geschah, reichten aber zeitweise an Nazimethoden heran. Im Westen waren die Verflechtungen bis in die Politik einfach nicht zu entwirren.
Als der kalte Krieg ausbrach verliefen auch die restlichen Bemühungen im Sande. Eine umfassende Säuberung war meiner Meinung nach nicht möglich. Gerechtigkeit für alle ist ein hohes Ziel, das nicht erreicht werden kann.
Im Dezember 1950 endete die sogenannte „Entnazifizierung“ offiziell per Bundestagsbeschuss.
Während ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, sind mir einige Äußerungen von Überlebenden und Zeitzeugen begegnet, die das Problem aufzeigen und – vielleicht – eine Erklärung für die Verweigerungshaltung zum Thema Aufarbeitung geben.
Man wollte, man konnte aber nicht
Wir sind doch zum Schweigen erzogen worden.
Die Kinder haben doch gar nichts mitbekommen.
Es war ein Schweigen aus Scham.
Wir waren von klein auf Schuldbeladen.
Sprachlosigkeit zwischen den Generationen.
Eine ganze Generation missbraucht für Ideale wie Rassenhass und Herrenmenschentum.
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