Als die Leipziger Buchmesse ausfiel, fielen alle sofort in eine Art Schockstarre. Was nun mit den ganzen tollen Büchern, den neuen Autoren, den Goodies? Es dauerte aber nicht lange und gemeinsam wurde Online eine Alternative gefunden. Als Blogger wollte ich helfen und dabei sein.
Da ich aber zu denen gehörte, die trotzdem nach Leipzig fuhren (was ich mit dem heutigen Wissen auf keinen Fall mehr getan hätte), habe ich mich bereit erklärt, Autoren und ihre Bücher vorzustellen.
Normalerweise läuft das so ab:
- Der Autor meldet sich, stellt sein Buch vor, schickt Material.
- Wenn es mir gefällt, lese ich es. Es gibt dann eine Rezi und eine Vorstellung von Buch oder Autor
- Wenn das Buch nicht so meinen Lesegewohnheiten entspricht, lese ich es meistens quer, um etwas zum Inhalt sagen zu können und stelle es dann vor.
Und manchmal, manchmal findet dabei so ein besonderes Schätzchen, wie Kryonium, seinen Weg zu mir. In nicht mal 2 Tagen war es weggesuchtet. Bis früh um 3 habe ich gelesen und würde eigentlich gerne noch einmal von vorne beginnen.
Kryonium – Die Experimente der Erinnerung von Matthias A. K. Zimmermann
Wer ist Matthias Zimmermann? Er ist ein Schweizer Schriftsteller, Maler und Medienkünstler. In seinen Werken hat er sich ausgiebig mit der digitalen Moderne auseinandergesetzt. Aus seinen Bilderwelten ist nun ein fantastischer Roman entstanden, der den Leser auf eine Reise durch die Virtualität mitnimmt.
So, wisst ihr Bescheid. Aber jetzt zum Wichtigsten. Dem Buch.
Es war der heimliche Gedanke an eine Flucht, über den ich immerwährend nachdachte; die Flucht von diesem mir unbekannten Ort.
aus Kryonium
Ich habe es gelesen. Vom ersten Buchstaben bis zum letzten Punkt. Meine Rezi dazu findet ihr hier auf dem Blog. Aber habe ich es verstanden? Diese ganze Komplexität? Dieses Wow?
Das Buch ist in 3 Abschnitte gegliedert.
Amnesie – Monotonie – 1, 10, 11, 100, 101, 110, 111, 1000, 1001
Und mit jedem Abschnitt befand ich mich in einer anderen Geschichte. Irgendwie. Irgendwie aber auch wieder nicht. Ich hatte das Gefühl, es wechselte von Märchen zu Fantasy zu Phantastik zu Thriller zu … ja, was überhaupt? Zu keiner Zeit war ich irritiert. Ich wusste irgendwie, das muss so sein.
Während ich mich hinter einer Tanne versteckt hielt – ich konnte es vor Aufregung kaum noch aushalten –, näherte sich der Zauberer dem Drachen. Prüfenden Blicks umkreiste er die furchteinflößende Steinskulptur. Das tat er drei Mal. Dann hob er den Zauberstab senkrecht in die Höhe, schwang ihn wie eine Acht in der Luft und sprach eine längere Formel. Es donnerte und bebte und mit einem Mal war der Drache zu gefährlichem Leben erwacht.“
aus Kryonium
Was das Buch so anders macht, ist wohl auch die Ich-Perspektive. Ich habe das erlebt. Ich war die Person. Der Leser wird nicht zum Zuhörer und stillen Beobachter, er hat das Gefühl mittendrin zu sein.
10 Fragen an Matthias A. K. Zimmermann
1. Wie bist du auf die Geschichte gekommen? Hat sie dir jemand ins Ohr geflüstert? Hast du sie geträumt?
Alles hatte vor vielen Jahren mit einem Kurs über Storytelling begonnen, den ich an der Hochschule besucht hatte. Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes machen, wurde dann aber bei diesem Kurs eingeteilt. Zuerst dachte ich: Neeeeeee! Das darf doch nicht war sein! War dann aber hell begeistert vom Inhalt. Das hatte alles verändert und ich habe mich gleich in mehrere Storytelling-Bücher vertieft und verliebt. Mein Ziel war es von Anfang an, eine Geschichte zum Thema „Virtualität“ zu schreiben, die den Leser das Virtuelle entdecken lässt – denn so einen Roman habe ich bisher noch nirgendwo gesehen.
2. Schreibst du hauptberuflich oder hast du noch einen Brotjob? Wenn ja, verrätst du ihn?
Ich schreibe mit viel Leidenschaft – als ob’s mein Hauptberuf wäre. Ansonsten unterrichte ich künstlerische Fächer.
3. Was liest du selbst gerne? Hast du vielleicht sogar einen Lieblingsautor?
Meine Lieblingsautoren sind Franz Kafka und Michael Ende.
4. Schreibst du immer nur an einem Buch oder hast du mehrere Ideen, die gleichzeitig aufs Papier gebracht werden wollen?
Bis jetzt habe ich nur einen einzigen Roman geschrieben. Eigentlich bin ich ja auch noch Künstler und male Bilder auf Leinwände oder komponiere sie digital. Aus meinen Bilderwelten hat sich dann nach und nach die Idee geformt, in ein anderes Medium überzugehen und es doch mal mit Buchstaben zu versuchen anstatt mit Farben.
5. Wie ist das so mit dir und deinen Protagonisten? Von anderen Autoren höre ich ja oft, dass sie zuweilen schon recht schwierig und aufmüpfige sein können.
Mein Protagonist ist kooperativ und eins mit meinen Gedanken – vielleicht deshalb, weil es ein Ich-Erzähler ist.
6. Weißt du noch, wann du das erste Wort zu Papier gebracht hast?
Das war an einem noch dunklen Dezembermorgen 2009 gewesen, draußen rieselte unaufhörlich der Schnee. Und plötzlich war da diese vage Idee von einem schneeverwobenen Schloss, das von Glühbirnen erhellt werden musste, um die Dunkelheit von ihm fern zu halten.
7. Wer darf als allererstes lesen, was du geschrieben hast? Und wann? Wenn alles fertig ist? Mittendrin?
Meine allerbeste Kollegin, die selber schreibt, hat mein Manuskript als erste gelesen, als es fertig war.
8. Welches Buch könntest du immer und immer wieder lesen?
„Momo“ von Michael Ende.
9. Wenn der Leser dein Buch gerade gelesen hat, was wäre deine erste Frage?
Was denkst du nun über Schneekugeln?
10. Eine Frage habe ich noch ….
Kannst du dein Buch in einem Satz beschreiben?
Die Geschichte spielt in einer geheimnisvollen Zauberwelt, in der nichts ist, wie es scheint.
Ich hoffe, ich habe euch neugierig gemacht. Kryonium ist wirklich ein ganz besonderes Buch. Ich lese wirklich viel. Böse Zungen behaupten, ich lese nach Kilometern. Ein paar Kilometer kommen da bestimmt schon zusammen. Aber so etwas, wie Kryonium, ist mir bisher noch nicht begegnet.
Ach ja, um Frage 9 zu beantworten. Ich liebe Schneekugeln. Werde sie ab jetzt aber mit ganz anderen Augen sehen.